Die Geschichte vom Breitmaulfrosch

 

Es war einmal ein Breitmaulfrosch, der saß in seinem Tümpel und wusste nicht so recht, was er mit sich anfangen sollte und wer er war. Jeden Tag kamen die schönen und eleganten Rehe mit ihren herrlichen langen Beinen und ihren zarten kleinen Schnäuzchen an den Tümpel, um zu trinken und er bewunderte deren Schönheit aus tiefstem Herzen und dachte bei sich: „Ja – wenn man so elegant und grazil ist, dann gehört einem die Welt, dann stehen einem alle Herzen offen!“

Doch als er daraufhin sein Spiegelbild auf dem Wasser betrachtete, sah er sein eigenes, breites Maul und seine krummen Haxen und ihm wurde bewusst, wie sehr er sich doch von den Rehen unterschied und daher blieb er einsam und stumm in seinem Tümpel sitzen, denn er dachte, als tölpeliger Breitmaulfrosch kann man die Welt nicht erobern.

Und so vergingen die Jahre.

Doch eines Tages, als er der Breitmaulfrosch vor Einsamkeit nicht mehr aushielt, beschloss er, sein Schicksal selbst in die Hand zu nehmen und streckte und reckte seine langen Haxen bis sie ganz gerade waren und lief fortan nur noch auf Zehenspitzen und er schürzte sein Breites Maul und spitzte die Lippen zu einem zierlichen Kussmund, auf dass es genauso zart und hinreißend aussehen sollte wie die Schnäuzchen der Rehe. Daraufhin kletterte aus dem Teich und übte und übte, bis er ebenso elegant herumstolzieren konnte, wie es die Rehe taten – und als es ihm schließlich gelang, da machte er sich auf in die Welt, um sein Glück zu finden, denn nun fühlte er sich dafür gerüstet.

Wo er auch hinkam tuschelten die anderen Tiere über den seltsamen Gesellen, der da so herumstolzierte und sie hielten den Breitmaulfrosch aufgrund seines eigenartigen Gangs für einen verstockten, humorlosen Aristokraten, viel zu fein für ihre Gesellschaft und weil er immer so die Lippen spitzte und dabei die Augenbrauen hochzog nannten sie ihn einen eitlen, arroganten Gecken.

Der Breitmaulfrosch aber verwunderte sich, warum denn keines der Tiere seine Freundschaft suchte, wo er doch jetzt ebenso elegant und grazil daher kam wie die bewundernswerten Rehe und sich doch jeder nur wünschen musste, mit solch einem reizenden Wesen befreundet zu sein. Aber immerzu gingen ihm die Leute aus dem Weg und wenn er versuchte, mit seinem zierlich gespitzten Mündchen ein manierliches Gespräch anzufangen, so zogen sie nur die Augenbrauen hoch und drehten sich weg. So sehr er sich auch bemühte, es wollte ihm nicht gelingen die anderen für sich einzunehmen.

Schließlich, als er schon alle Hoffnung aufgegeben hatte und traurig auf einem Stein am Rande eines Weihers saß, da kam eine Ente herbeigeschwommen und watschelte aus dem Wasser auf ihn zu.

„Guten Tag Breitmaulfrosch! Ich kenne Dich doch von früher – bist Du nicht immer einsam und allein im Tümpel auf Deinem Seerosenblatt gesessen und hast mit niemandem gesprochen? Du hast Dich aber herausgemacht! Was für einen feinen Gang und ein hübsches Schnütchen Du bekommen hast! Bist Du denn schon weit herum gekommen, seit Du Deinen Tümpel verlassen hast? Ich persönlich bleib ja lieber daheim, mit meinen kurzen Beinchen komm ich ohnehin nicht weit herum – aber ich sag ja immer, zu Hause ist es eh am schönsten! Und wenn man ein schönes zu Hause hat und nette Menschen um sich herum – was braucht man mehr zum glücklich Sein!“

Und so redete und redete die Ente vor sich hin und setze sich ganz zutraulich zu dem Breitmaulfrosch, als wären sie seit jeher die besten Freunde und langsam stahl sich ein zartes Lächeln auf des Breitmaulfroschs Gesicht, zuerst nur ganz unmerklich, dann immer mehr und weiter, bis er schließlich von einem Ohr bis zum anderen grinste und schließlich fing die Ente an, so lustige Geschichten zu erzählen, dass der Breitmaulfrosch zu lachen anfing und er lachte und lachte mit seinem breiten Maul und die Ente begann auch zu lachen, weil das Lachen des Breitmaulfroschs gar so ansteckend war und schließlich erzählte der Breitmaulfrosch der Ente SEINE Geschichte und spielte ihr vor, wie er den Gang und das Kussmund-Schnäuzchen der Rehe geübt hatte und alle beiden lachten und lachten bis ihnen die Tränen kamen, kugelten sich am Boden und hielten sich die Bäuche.

Nach und nach aber steckten alle Tiere rund herum die Köpfe aus ihren Höhlen, um zu sehen, wer denn da so lachte und sie kamen neugierig näher und einer nach dem anderen fingen auch sie an zu schmunzeln, und schließlich lachten alle rund herum und steckten sich unter einander an und alle kamen zusammen und jeder wollte möglichst nah bei dem Breitmaulfrosch sein.

Und von da an liebten alle den Breitmaulfrosch, denn er war ein treuer, guter Freund und ein hilfsbereiter Geselle, immer fröhlich und lustig und wenn jemand traurig war, dann war er für ihn da und brachte ihn zum Lachen und die Ente und er wurden die dicksten Freunde und seit dem Tage war er nie mehr einsam und allein.